Stuttgart 21 im stern: „Wir können alles – außer Bahnhof“

Wegen des Feiertags bereits am Mittwoch (01.06.2011): Neues von Arno Luik zum „DB-Untergrund-Thema“ Stuttgart 21 im stern: „Wir können alles – außer Bahnhof“

Ohne ein technisches Wunder kann Stuttgart 21 nicht halten, was es verspricht. Das zeigt eine neue Studie. Sind die Milliarden für das Bahnprojekt rausgeworfenes Geld?

Die Frage darf gestellt werden: „Denn bei S 21 geht es drunter und drüber. Das zeigen bahninterne Dokumente, die dem stern vorliegen. Die Macher haben das Bahnprojekt nicht im Griff, weder handwerklich noch fachlich, schon gar nicht finanziell. Es steht immer noch nicht fest, ob die geplanten Bahnanlagen unterm Flughafen gebaut werden dürfen. Planer gehen davon aus, dass sehr viel mehr Grundwasser als bisher berechnet abgepumpt werden muss, manche fürchten gar, dass künftig „ganze Teile des Schlossgartens bewässert“ werden müssten. Außerdem ist da noch der von Bahnchef Grube verhängte Baustopp, der die Ingenieure frustriert und die Kosten weiter explodieren lässt“. (Zitat stern)

Dazu ganz aktuell von FERPRESS: Die Internationale Eisenbahn-Presse-Vereinigung FERPRESS stellte dazu bei eigenen Recherchen aktuell und ergänzend fest, dass die DB das für die Genehmigung zuständige Eisenbahn-Bundesamt EBA wohl vorsätzlich zuerst falsch unterrichtet hatte, um die Genehmigung zunächst wenigstens „für die Hälfte“ der abzupumpenden Wassermengen zu bekommen: 3 Millionen m³. Jetzt auf einmal hat man angeblich im Januar erstmals erstaunt festgestellt, dass wohl doch mehr abzupumpen sei, um die geplanten Baugruben wasserfrei zu halten und nunmehr nachträglich die Genehmigung für sechs Millonen m³ beantragt …

Dabei wusste die Bahn seit Jahren bereits, dass man mit den beantragten 3 Millionen niemals zurecht kommen würde. Nachzulesen zzt. noch hier: www.rp.baden-wuerttemberg.de –   Projekt Stuttgart 21 und NBS Wendlingen – Ulm: Die Berücksichtigung der Wasserwirtschaft in der Planung – eine Zwischenbilanz – (Tagungsband 26. September 2006) [PDF-Datei, 75 Seiten, 9.066 KB, 26.09.2006]

Das ganze Dokument ist lesenswert, so zum Beispiel die Seiten rund um Seite 43 …

Das Interessanteste steht aber auf Seite 3 (Blatt 9) dieses Regierungspräsidium-Stuttgart-internen „Tagungsbandes vom 26. September 2006″ mit dem bürokratischen Titel „Projekt Stuttgart 21 und NBS Wendlingen – Ulm: Die Berücksichtigung der Wasserwirtschaft in der Planung – eine Zwischenbilanz“. Nach dem Vorwort des damaligen Regierungspräsidenten und späteren – inzwischen Ex-Projektsprechers („auf Zeit“) Dr. Udo Andriof – findet man im Grußwort  des seinerzeitigen Konzernbevollmächtigten der DB AG, Werner W. Klingberg in der rechten Spalte das folgende, entlarvende ZITAT:

„… So kann sichergestellt werden, dass die Auswirkungen des Projektes auf den Boden und das Grundwasser die in den Feststellungsbeschlüssen festgelegten Grenzen nicht überschreiten. Während der Bauzeit werden etwa 5,8 Millionen m³ Wasser entsprechend zu behandeln sein. Davon sollen 4,2 Millionen m³ zur Schonung des Grundwasserhaushaltes wieder in den Untergrund infiltriert und 1,6 Millionen m³ in den Neckar bzw. die städtische Kanalisation abgeleitet werden.

Die temporär mögliche Beeinträchtigung der Heil- und Mineralquellen wurde maßgeblich minimiert …“

Also doch nicht die nur bis zu 3 Millionen m³, die gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt EBA immer genannt wurden, um die Genehmigung nicht zu gefährden.

Die Bahnoberen, auch Grube, wussten AUCH HIER seit Jahren schon Bescheid! Kein Unterschied also zu Mehdorn und – nur ein Beispiel – seiner Überwachung missliebiger Presse, von der er angeblich nichts gewusst hatte …

Und zum Grundwassermanagement? Klingberg-Nachfolger Eckart Fricke (siehe www.deutschebahn.com – DB-Presseinformation: Eckart Fricke wird neuer Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG für das Land Baden-Württemberg )
wollte davon – sichtlich nervös und uninformiert – auf einer Informationsveranstaltung im großen Saal des Stuttgarter Rathauses nichts gewusst haben, wie die Filmaufnahmen beweisen:

(www.bambuser.com unter „27.05.2011 Rathaus Infoveranstaltung zum GWM 19.34h“)

Dass bei einer Verdoppelung der Abpumpmenge und der zwangsläufigen Vergrößerung des damit verbundenen sog. „Trichters“ neben dem Bahnhofsturm nun auch ein Teil der Königstraße, das Staatstheater und zahllose Privatgebäude durch Auswaschungen des Erdreichs bzw. geologisch bedingte Schäden betroffen wären, sei nur am Rande erwähnt. In Neckarwestheim soll angeblich das abgeschaltete Atomkraftwerk hauptsächlich unter diesem Mangel leiden (Auswaschungen unter dem Reaktor).

Nach Ansicht von damit befassten Juristen ist – unabhängig von der erforderlichen Genehmigung durch das EBA (Eisenbahn-Bundesamt) – nunmehr auch ein neues Planfeststellungsverfahren erforderlich, u. a. wegen der um ein Mehrfaches zu verstärkenden Pumpen und der zwangsläufig
dickeren Rohre, was zu neuen, erneut und allein von der Bahn zu vertretenden Verzögerungen führen würde. In Kreisen der Landesregierung geht man deshalb davon aus, dass die Bahn auch deshalb überhaupt keine  Schadenersatzforderungen wegen eventueller Verzögerungen durch
der Bahn lästige Volksbefragungen bzw. eines neuen Bürgerbegehrens in Stuttgart machen kann.
Außerdem habe man „bewusst und vorsätzlich“ mit Baumaßnahmen begonnen, ohne alle Planfeststellungsverfahren abzuwarten, was dafür Voraussetzung gewesen wäre. Die Bahn habe deshalb für alle bisherigen Kosten, die zusätzlich angefallen sind, allein aufzukommen: „Jedes Gericht in Deutschland würde auch so entscheiden“.

Zweifel an Leistungsfähigkeit von S21:

Ein Fachartikel nährt erhebliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Projekts Stuttgart 21. Laut einem Aufsatz in der neuen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Eisenbahn-Revue International“ sind die für Stuttgart 21 im Zugverkehr versprochenen Leistungszuwächse völlig unrealistisch.

Die Studie bezeichnet Stuttgart 21 als einen „Rückbau der Infrastruktur“. Um den in der Schlichtung beschlossenen Stresstest zu überstehen, müsste die Bahn einen „unbekannten revolutionären technischen Fortschritt“ nachweisen. Zu diesem Schluss kommt der Münchner Autor Christoph M. Engelhardt in der Schweizer Fachzeitschrift.

Der neue Tiefbahnhof soll 49 Züge pro Stunde schaffen. Das sind pro Gleis und Stunde etwa sechs Züge. Dieser Wert wird in der Analyse kritisch unter die Lupe genommen. Das Ergebnis:
Keiner der untersuchten Bahnhöfe erreicht den für Stuttgart prognostizierten Wert auch nur annäherungsweise. Selbst die leistungsstärksten deutschen Großbahnhöfe schaffen pro Gleis nur gut vier Züge in der Stunde – die Bahnhöfe Hamburg und Köln. Sie gehören laut Studie zu denjenigen mit der höchsten Unpünktlichkeit in Deutschland.

Der achtgleisige Tiefbahnhof müsse künftig 6,1 Züge pro Gleis in der Spitzenstunde von sieben bis acht Uhr abfertigen, um den Stresstest zu bestehen, der derzeit von der Bahn vollzogen wird.
Engelhardt hält das für wirklichkeitsfremd und verweist auf die leistungsstärksten Durchgangsbahnhöfe Hamburg und Köln, die nur etwas mehr als vier Züge pro Gleis und Stunde schafften – allerdings um den Preis vieler Verspätungen. Die Kopfbahnhöfe Frankfurt, Leipzig und München wickelten 1,9 Züge pro Gleis und Stunde ab, Durchgangsbahnhöfe im Schnitt 2,7. Die Leistungsgrenze des geplanten achtgleisigen Tiefbahnhofs liege bei lediglich 32 Zügen in der Spitzenstunde, rechnet das Fachblatt vor; das wären sechs weniger als heute.

Auch ein Ausbau auf zehn Gleise würde nicht reichen Auch bei einem Ausbau auf zehn Gleise betrüge die Kapazität nur 40 Züge. Um den Stresstest zu bestehen, mit dessen Ergebnis Anfang Juli gerechnet wird, müsste die Bahn für 49 Züge eine „gute Betriebsqualität“ nachweisen.

Das Magazin „stern“ wird in seiner Mittwochsausgabe ebenfalls über Engelhardts These berichten, aber auch über Bahn-Notizen, die bewiesen, dass bei einer Auflistung von 121 Risiken durch den Bauleiter Hany Azer nur jene 73 Posten in ein Projektsteuerungsprogramm eingegeben worden seien, die kostenmäßig noch nicht bewertet seien.

Der Grund dafür: Es solle „derzeit keine vom Gesamtwertumfang (4,088 Milliarden Euro) abweichende Vorschau aufgezeigt werden“. Der „Stern“ schließt daraus: „Man sollte das Projekt schönrechnen und Zahlen, die Stuttgart 21 teurer machen könnten, nicht berücksichtigen.“

Und: Azer hat seinen Posten nicht freiwillig – und schon gar nicht wegen Bedrohungen seiner Person geräumt …

Der Mittwoch wird spannend …

PRESSE
Nach Stuttgart jetzt auch München: „Architektur und Deutsche Bahn: Dimensionen des Erbärmlichen“

AUSZUG:
„Die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Bahn überzeugende Entwürfe für den Hauptbahnhof in München vom Tisch gewischt hat, lässt für alle laufenden Planungen des Unternehmens das Schlimmste befürchten. Auch für Stuttgart.“

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 26.05.2011
www.sueddeutsche.de – Architektur und Deutsche Bahn: Dimensionen des Erbärmlichen (26.05.2011)

PRESSE
Zensur von ganz oben: „Warum sich die Denkmalbehörden nicht zu S21 äußerten“

AUSZUG:
„Norbert Bongartz, Oberkonservator im Ruhestand beim ehemaligen Landesdenkmalamt, sprach Tacheles: „Das Schweigen der Denkmalpflege liegt an den Amts-Strukturen.“ Seit Ministerpräsident Erwin Teufel die Denkmalbehörden den Regierungspräsidien und Landratsämtern zuschlug, hätten diese keine eigene Pressestelle mehr. Sie müssten bei politischen Projekten loyal zu vorgesetzten Behörden handeln und gingen darum nicht mehr an die Öffentlichkeit. Ihre Bedenken gegen das Bahnprojekt hätten die Denkmalbehörden so deutlich wie möglich formuliert. Bongartz: „Man kann statt Integrierung in die Regierungspräsidien auch die Formel ‚Gleichschaltung‘ benutzen.“ Weder die Denkmal-Referate noch das Geologische Landesamt in Freiburg dürften sich zu S 21 äußern.
„Die Fachbelange sind als Bettvorleger gelandet, wenn es hart auf hart kommt.“

Quelle: Schwäbisches Tagblatt vom 12.04.2011
www.tagblatt.de – Warum sich die Denkmalbehörden nicht zu S 21 äußerten (Über das „Schweigen der Denkmalpflege bei S 21“ diskutierten am Samstag zwei Fachleute in der Kunsthalle)

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