Die Geschichte vom Pferd

Rede von Parkschützerin Carola Eckstein vor der SPD-Zentrale Baden-Württemberg am Montag, 11.4.2011

Das Stuttgarter Rössle, es lebt hier, und es soll sich hier bei uns auch noch lange wohlfühlen. Bei S21 haben wir es mit einem ganz anderen Ross zu tun: Es ist darauf gezüchtet, so schnell wie möglich durch Stuttgart hindurch zu kommen. Doch das viel gepriesene Rennpferd, es lahmt – und zwar auf allen vier Hufen:

Das linke Vorderbein, es hinkt schon lange: Die Planfeststellung für den wichtigen Filderbereich konnte noch nicht einmal eröffnet werden. Das Eisenbahnbundesamt urteilt bis heute: Der Planung fehlt die erforderliche Reife. Seit Geißlers Spruch hat sich das Leiden verschlimmert: Geworben wird jetzt unter anderem mit Barrierefreiheit – eine passende Planung dazu gibt es nicht. Bahn-Technikvorstand Volker Kefer erklärt: barrierefreie Fluchtwege wird es mit S21 nicht geben. Was gilt denn nun? Nur weil der Werbeprospekt aufgepeppt wurde, läuft unser Pferd nicht besser.

Auch auf dem rechten Vorderbein zeichnet sich die Entzündung schon seit längerem ab. Hier geht’s um das liebe Geld. Der projektverantwortliche Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat wohlweislich dafür gesorgt, dass der Bund keine Mehrkosten zu tragen hat, egal was kommt. Und auch die Bahn hat ihren Finanzierungsanteil sorgsam und eng begrenzt. Die Herren werden wissen, warum…

Herr Ramsauer sollte so ehrlich sein, das Projekt zu stoppen, nachdem die Kostenrisiken nicht mehr zu leugnen sind. Vor allem dürfen wir nicht die Haftung übernehmen für dieses Milliardengrab – schon gar nicht ohne weitere Akteneinsicht. Es ist eben kein geschenkter Gaul, und deswegen sollten wir ihm ins Maul gucken. Und wenn wir als Volk über den Kauf entscheiden sollen, dann müssen auch wir die Möglichkeit haben, diesem Gaul ins Maul zu schauen.

Die Bahn muss offen legen, mit welchen geologischen Risiken wir rechnen müssen. Sie muss Einblick gewähren, warum nun schon der zweite ausgeschriebene Großauftrag nicht vergeben werden konnte. Welche Auswirkungen hat das auf die Kosten? Wir wollen wissen, was Sache ist. Über einen bunten Werbeverkaufsprospekt wollen wir nicht abstimmen.

Und damit wären wir beim rechten Hinterbein – das Sprunggelenk, es knackt. Die Bahn will bauen. Sie will sich nicht an den geforderten Baustopp halten und ihren eigenen Baustopp hält sie auch nicht ein; aber wenn es ernst wird findet sich niemand, der mit ihr bauen will. Laut Plan hätte der Nesenbachdüker schon vor einem Jahr tiefer gelegt werden sollen. Wir beschweren uns nicht, dass es bis heute niemand getan hat. Den Bauablauf trifft es aber empfindlich. Nun fand sich auch für die erste heikle Tunnelstrecke kein Auftragnehmer – trotz ‚mehrfacher Aufforderung‘, wie es heißt. Nachdem es offenbar kein Bauunternehmer riskieren will, unter dem Daimler-Werk in Untertürkheim hindurch zu graben, sollten auch wir uns fragen, ob wir dieses Risiko wirklich wollen. Eine Tunnelpanne unter dem Autowerk hätte vermutlich nicht nur für die ausführende Baufirma katastrophale Folgen.

Die Diskrepanzen zum Prospekt, mit dem das Rennpferd beworben wird, werden immer größer. Sie werden immer augenfälliger und – da beginnt nun auch das letzte Bein zu lahmen – der Bahn fehlt es an qualifiziertem Personal für dieses Projekt. Auf viele ausgeschriebene Stellen gibt es keine Bewerbungen. Persönlich wollen wohl die wenigsten Experten auf dieses Pferd setzen.

S21 ist ein besonderes Tier. Wir alle wissen, dass es mit mehr als vier Pferdefüßen daher kommt. Aber vier lahme Hufe sollten ausreichen, um zu erkennen, dass dieses Pferd uns nicht in die Zukunft trägt. (vom 12.04.2011 von Matthias von Herrmann)

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