Offener Brief an OB Schuster

Der folgende offene Brief wurde gestern mit 69 Unterschriften an Herrn Schuster, alle Bürgermeister und alle Stadträte übergeben.

Mahnwache Stuttgart
Nordausgang Hauptbahnhof
70173 Stuttgart

Stuttgart, 18.05.2011

Erhalt des Kopfbahnhofes und Renovierung „K21“

Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,

seit 17. Juli 2010 – das sind nunmehr schon 10 Monate – stehen wir Stuttgarter Bürger täglich rund um die Uhr, auch bei Hitze, Regen, Schnee und Eis mit unserer Mahnwache am Nordausgang des denkmalgeschützten Kopfbahnhofs.

Es sind mit Sicherheit um die 600 Menschen aller Altersstufen, aus allen Stadtteilen und gesellschaftlichen Schichten, die hier Mahnwachen Dienst leisten und geleistet haben. Selbst aus dem Umland von Stuttgart erfahren wir von engagierten Bürgern Unterstützung. Stuttgart ist für diese Menschen ihre Landeshauptstadt, daher haben sie ein Interesse an dem Wohl und Wehe dieser Stadt.

Stuttgart ist auf Grund Ihres Amtes als Oberbürgermeister auch Ihre Stadt. Mag sein, dass Sie aus Zeitgründen nicht alle Aktivitäten in Ihrer Stadt kennen können. Darum stellen wir Ihnen heute diese Frage: Ist Ihnen überhaupt bekannt, was hier in der Mahnwache für unsere gemeinsame Stadt geleistet wird? Als Privatinitiative, parteilos, auf eigene Kosten und in der Freizeit!

Wir Bürger von Stuttgart machen uns große Sorgen um diese unsere Stadt. Wir klären darüber auf, was unsere Stadt so liebens- und lebenswert macht.

Wir wollen nicht:

  • dass unsere Stadtgeschichte dadurch zerstört wird, dass alles abgerissen wird, das älter ist als wir selbst!

Wir wollen:

  • Einen hoch leistungsfähigen Hauptbahnhof, der bei sinnvoller kostengünstigerer Renovierung einen integralen Fahrplan nach Schweizer Vorbild ermöglichen würde,
  • Auch in Zukunft einen pünktlichen Hauptbahnhof
  • Einen denkmalgeschützten (inzwischen leider verstümmelten) Hauptbahnhof
  • Einen komplett barrierefreien Hauptbahnhof, der für eine immer älter werdende Bevölkerung durch seine breiten Bahnsteige einen sicheren Zugang zu den Zügen gewährleistet – auch bei hohen Fahrgastzahlen mit Gehhilfen oder Rollstühlen
  • Im einundzwanzigsten Jahrhundert unsere Behinderten im Rollstuhl nicht mehr weg sperren oder verstecken – sie wollen mobil sein
  • In der „kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands“, auch Familien ermöglichen mit dem Zug zu verreisen. Eventuell haben sie Zwillinge oder einen breiten Kinderwagen für die beiden Kleinen. Wie sollen diese mit ihrem zusätzlichen Gepäck die Bahnsteige mit minimaler Breite passieren, wenn viele Menschen unterwegs sind?
  • Wie sollen sich genau diese Menschen in einer Notsituation in Sicherheit bringen wenn Rolltreppen und Fahrstühle ausfallen bzw. nicht zu benutzen sind?

Die hier aufgeführten und noch viele andere Schwierigkeiten werden uns an der Mahnwache immer wieder von Reisenden bei ihrem Halt in Stuttgart nachgefragt. Wir können darauf leider nur mit den Achseln zucken und sagen: „das ist politisch so gewollt“ – Oder?

Herr Dr. Schuster, wir machen uns Sorgen um alle die Menschen, die in Stuttgart wohnen und unter deren Häuser Tunnel gegraben werden sollen. Was passiert mit den Gebäuden, wenn es im Untergrund gewaltige Erschütterungen durch das geplante Bauvorhaben – (Tunnelbohrungen und unzählige Rammschläge für die Stützpfeiler in der Baugrube) gibt?

Sind diese Sorgen bei den unberechenbaren gegebenen geologischen Verhältnissen in Stuttgart (poröser als im Planfeststellungsverfahren zu Grunde gelegt) wirklich so einfach vom Tisch zu wischen?

In unterschiedlichen Tiefen im Mittleren Schlossgarten verlaufen der Nesenbach, die Grundwasserströme und die zweit häufigsten Vorkommen in Europa des kostbaren Mineralwassers. Wie inzwischen bekannt wurde, kommen die Mineralwasserzuflüsse nicht allein aus dem Schwarzwald / Gäu Gebiet sondern vielmehr durch das Neckartal von der Schwäbischen Alb.
Durch die nunmehr erforderliche doppelte Menge an Grundwasser, das abgepumpt werden müsste um die Baugrube auszuheben, sind die unter sehr hohem Druck stehenden Mineralwasserströme hochgradig gefährdet.

Hier erinnern wir an Ihr Versprechen: bei der realen Gefährdung unserer Mineralquellen „das wäre das k.o. Kriterium für Stuttgart 21!“ Diese reale Gefährdung ist nunmehr gegeben.

Hier sind unsere allergrößten Sorgen nach den neuesten Erkenntnissen mehr als berechtigt. Auch Ihnen als Oberbürgermeister muss doch das Wohl und Wehe Ihrer Stadt eine Herzensangelegenheit sein?

Sehr geehrter Herr Dr. Schuster, Sie haben sich vehement für das neue „Herz Europas“ stark gemacht – zeigen Sie auch ein Herz für die Menschen in Ihrer – unserer Stadt.
Beenden Sie Ihr Engagement bezüglich Stuttgart 21.

(Übrigens: Wir brauchen keinen neuen Stadtteil – es gibt momentan 425.000 Quadratmeter leer stehende Büro- und Gewerbe Immobilien in Stuttgart und im Umland und es werden gerade viele neu gebaut.)

Mit nachdenklichen freundlichen Grüßen
die Unterzeichner

(24.05.2011 von Max)
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