<\/a><\/p>\nUnser Pavillon
\nwww.unser-pavillon.de
\nKunstkonzept: Ein \u00f6ffentlich begehbares Bild<\/p>\n
Bei dem Projekt „Unser Pavillon“ handelt es sich um eine skulpturale Erweiterung der sich direkt davor befindlichen Skulptur „Schichtung 107 (Stuttgarter Tor)“ des K\u00fcnstlers Thomas Lenk aus dem Jahre 1977. Wie unschwer zu erkennen ist, nimmt das von uns geschaffene Raumgebilde bestimmte formale Komponenten der Lenkskulptur auf und hat – wie ich noch ausf\u00fchren werde – auch inhaltlich einige Gemeinsamkeiten.<\/p>\n
Wir nennen diesen neugeschaffenen Ort „Unser Pavillon“, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass er allen geh\u00f6rt, die sich mit ihm identifizieren.<\/p>\n
Vor einiger Zeit haben sich eine Gruppe Stuttgarter K\u00fcnstler, die sich um das „Begleitb\u00fcro SOUP (Stuttgarter Observatorium Urbaner Ph\u00e4nomene)“ zusammengefunden hat, sowie zahlreiche andere Kulturaktivisten dazu entschlossen, etwas f\u00fcr diese Stadt zu schaffen, in dem sich der im Verlauf der Debatte um Stuttgart 21 erreichte Bewusstseinsstand positiv manifestieren kann. So etwas wie ein begehbares Bild, oder ein Tunnel, aus dem man gel\u00e4utert wieder hervortreten kann, wenn man sich einige Zeit darin aufgehalten hat.<\/p>\n
Wir sind der \u00dcberzeugung, dass die seit letzten Sommer im Stuttgarter Kessel waltende Thermik nicht so schnell wieder abrei\u00dfen wird. Es besteht die einmalige Chance, diesen Aufwind f\u00fcr weiteren gesellschaftlichen H\u00f6hengewinn einzusetzen. Alles andere w\u00e4re mentale Ressourcenverschwendung.<\/p>\n
Die Spaltung der Stuttgarter B\u00fcrgerschaft w\u00e4re nicht erfolgt, wenn die Politik rechtzeitig erkannt h\u00e4tte, welch produktive Dynamik in der vermeintlichen Protestbewegung liegt. Die Frage nach dem gesellschaftlichen Wandel, so unsere \u00dcberzeugung, kann durch einen von oben dekretierten neuen Bahnhof am wenigsten beantwortet werden. Es geht um eine grunds\u00e4tzliche Neubestimmung dessen, was wir fortan unter Fortschritt verstehen wollen. Diese Debatte hat noch gar nicht richtig begonnen. Sie wurde durch die Faktenschlichtung geradezu verdeckt.<\/p>\n
„Unser Pavillon“ erlaubt sich, in diese nicht nur Stuttgart betreffende Debatte mit den uns zur Verf\u00fcgung stehenden und vergleichsweise bescheidenen Mitteln konkret einzugreifen.<\/p>\n
In einem ersten Schritt, der Initiationsphase, fungiert der Pavillon als Camera obscura und reproduziert damit eine Erfahrung, die man die „Umkehrung der Verh\u00e4ltnisse“ nennen k\u00f6nnte. Ein f\u00fcr viele Stuttgarter nicht weiter erkl\u00e4rungsbed\u00fcrftiges Ph\u00e4nomen.<\/p>\n
Eine Camera obscura ist ein dunkler Raum, in den durch ein kleines Loch das Licht der Au\u00dfenwelt eindringt und auf die gegen\u00fcberliegenden Seite ein auf dem Kopf stehendes Abbild erzeugt. Der von der Lenk-Skulptur eingerahmte Bahnhofsturm k\u00f6nnte in einer extremen Langzeitbelichtung f\u00fcr immer ins \u00f6ffentliche Ged\u00e4chtnis eingeschrieben werden. Wenn dabei der auf dem Turm kreisende m\u00e4chtige Mercedesstern pl\u00f6tzlich ins untere Bildfeld ger\u00e4t und wie ein R\u00fchrwerk das Untere nach oben bringt, so verdankt sich dies allein optischen Gesetzen.<\/p>\n
Parallel zu dieser Nutzung als Camera obscura werden von allen, die sich mit dem Pavillon identifizieren k\u00f6nnen, innen und au\u00dfen Informationen und Gesten platziert, die zu einer Pr\u00e4zisierung der beiden Leitfragen des Pavillons beitragen: „Was hei\u00dft Fortschritt?“ und „Wem geh\u00f6rt die Stadt?“. Wenn diese Pr\u00e4zisierungen eine politische Ausdrucksweise annehmen, so bedeutet dies zuallererst, dass die Politik etwas von diesen Vorg\u00e4ngen zu lernen h\u00e4tte.<\/p>\n
Die Art und Weise, wie der Pavillon aufgestellt wurde, mag an eine Nacht- und Nebelaktion erinnern. Doch, was eine Nacht- und Nebelaktion ist, haben wir von denen gelernt, die unserer Ansicht nach in unerlaubter Weise und in unmittelbarer Nachbarschaft des Pavillons B\u00e4ume gef\u00e4llt haben. Doch w\u00e4hrend diese B\u00e4ume unwiederbringlich dahin sind, kann „Unser Pavillon“ jederzeit ohne Schaden an einen anderen Ort bewegt werden. Er steht auf insgesamt 24 R\u00e4dern. Jedes davon weist, so lange er steht, in eine andere Richtung. <\/p>\n
„Unser Pavillon“ stellt an seinem konkreten ersten Aufstellungsort deshalb durch seine blo\u00dfe Existenz die Frage, von wem auf diesem ganz speziellen Gel\u00e4nde die Frage der Legalit\u00e4t \u00fcberhaupt aufgeworfen wurde.<\/p>\n
Der Bereich des Mittleren Schlossgartens repr\u00e4sentiert in der Stadtlandschaft Stuttgarts einen seltenen Ausnahmefall. Als ein der Zerst\u00f6rung verschriebener Ort zieht er Menschen an, die sich mit ihrer Machtlosigkeit nicht abfinden wollen und zur Selbsthilfe gegriffen haben. Die Akte des Zivilen Ungehorsams reichen von symbolischen Baumbespielungen \u00fcber provokative Protestnoten bis zur tats\u00e4chlichen Besiedlung des \u00f6ffentlichen Grund und Bodens. Entstanden ist ein seltsamer Duldungsraum, der gerade seiner anarchischen Qualit\u00e4ten wegen von ganzen Schulklassen und zahlreichen Touristen tagt\u00e4glich besucht wird. Und nat\u00fcrlich auch von denen, die diese ganze Szene am liebsten – wie es in zahlreichen Kommentaren nachzulesen ist – „abfackeln“ w\u00fcrden. <\/p>\n
Der Ort des mittlerweile zu einem lokalen Mythos gewordenen 30.09. ist jedenfalls ein fester Bestandteil des \u00f6ffentlichen Bewusstseins geworden. Der Bauzaun, die bespielten B\u00e4ume, die verschiedenen Zeltlager bilden auch f\u00fcr die Gegner dieses Szenarios feste Bezugsgr\u00f6\u00dfen. Sie geh\u00f6ren, ob gewollt oder nicht, zur Identit\u00e4t dieser Stadt. M\u00f6glicherweise liegt in dieser verwaltungstechnisch oder juristisch schwer zu fassenden Gesamtsituation die Keimzelle einer gesellschaftlichen Neuorientierung.<\/p>\n
„Unser Pavillon“ soll genau diese M\u00f6glichkeit ergr\u00fcnden. Er verh\u00e4lt sich zu der ihn umgebenden Szenerie wie ein Spiegel. Dieser w\u00fcrde nicht funktionieren, wenn der Akt seiner Inbetriebnahme nicht auch die formalen Grenzen des rechtlich M\u00f6glichen ber\u00fchren w\u00fcrde. Unter k\u00fcnstlerischer Freiheit verstehen wir die Option, gesellschaftliche Regeln f\u00fcr den Fall brechen zu d\u00fcrfen, dass damit einem \u00f6ffentlichen Interesse gedient wird.<\/p>\n
Der durch Spenden und unentgeltlichen Arbeitseinsatz zahlreicher Menschen realisierte Pavillon verdankt sich zu einem guten Teil dessen, was er thematisiert: einer direkten Form der B\u00fcrgerbeteiligung. Das Mandat unserer Aktion stammt sozusagen von der Stra\u00dfe.<\/p>\n
Seitdem der Pavillon steht, beobachten wir, dass er sehr schnell positiv angenommen wurde. Er steht am richtigen Ort. Passanten sind neugierig darauf, was da innen vor sich geht. Gespr\u00e4che entwickeln sich. Manche Fronten werden durchbrochen. Einige vorbei- kommende S-21-Gegner dachten zuerst, wir seien von der Gegenseite (den „Prolern“), weil sie sich an die teilweise esoterische Bildsprache im Schlossgarten gew\u00f6hnt hatten und den Pavillon als „Design“ einstuften. Die in Festreden so gerne beschworene Irritationskraft der Kunst kommt hier im Nahfeld zum Tragen. Das verstehen wir als Beitrag zur Deeskalation.<\/p>\n
In einer weiteren, m\u00f6glicherweise f\u00fcr beide Seiten irritierenden Aktion wollen wir die Skulptur von Thomas Lenk noch einmal thematisieren. Dieses r\u00e4umlich ausgreifende Gebilde ist heute aufgrund seiner relativen Zweckfreiheit unmissverst\u00e4ndlich als ein Kunstwerk erkennbar. Seiner Konzeption nach sollte in symbolischer Weise in den Park hineinf\u00fchren: sozusagen durch die Kunst hindurch.<\/p>\n
Die Skulptur steht jedoch nicht irgendwo selbstgen\u00fcgsam auf dem Rasen, sondern – wenn auch seitlich versetzt – direkt auf dem asphaltierten Weg. Diskret und gleichzeitig monumental stellt sie sich uns in den Weg, soll uns erheben, aber auch dazu auffordern, dar\u00fcber nachzudenken, wie man in eine Stadt hineinkommt und wie man sie verl\u00e4sst.<\/p>\n
So betrachtet w\u00e4re das „Stuttgarter Tor“ von ungeheurer Aktualit\u00e4t. Dass diese Skulptur mittlerweile jedoch vergessen ist und von Aufklebern und Aufschriften aller Art besiedelt ist, zeigt uns, dass dieses der Stadt Stuttgart geh\u00f6rende Kunstwerk aus dem Bewusstsein der B\u00fcrger entschwunden ist. Dem wollen wir entgegenwirken und damit auch zu dessen Werterhaltung beitragen.<\/p>\n
Inspiriert von der Idee der Abkratzpr\u00e4mie wollen wir diese Skulptur unter Mithilfe von Restauratoren in ihren originalen Zustand zur\u00fcckversetzen, die in den Aufklebern verborgenen Botschaften – so weit es geht – ebenfalls. Das von der Skulptur abgenommene Material wird Teil des Pavillons werden. So w\u00e4re beiden gedient: dem Kunstwerk und seinen \u00dcberschreibern.<\/p>\n
Wenn diese Arbeit abgeschlossen ist, so unsere Idee, wird sich der Pavillon in seine drei Komponenten aufteilen und dorthin geschoben, wo er aktuell gebraucht wird.<\/p>\n
Verantwortlich: Begleitb\u00fcro SOUP (Stuttgarter Observatorium Urbaner Ph\u00e4nomene)
\nwww. begleitbuero.de
\nText: Harry Walter<\/p>\n"},"caption":{"rendered":"
Unser Pavillon www.unser-pavillon.de Kunstkonzept: Ein \u00f6ffentlich begehbares Bild Bei dem Projekt „Unser Pavillon“ handelt es sich um eine skulpturale Erweiterung der sich direkt davor befindlichen Skulptur „Schichtung 107 (Stuttgarter Tor)“ des K\u00fcnstlers Thomas Lenk aus dem Jahre 1977. 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So etwas wie ein begehbares Bild, oder ein Tunnel, aus dem man gel\u00e4utert wieder hervortreten kann, wenn man sich einige Zeit darin aufgehalten hat.\r\rWir sind der \u00dcberzeugung, dass die seit letzten Sommer im Stuttgarter Kessel waltende Thermik nicht so schnell wieder abrei\u00dfen wird. Es besteht die einmalige Chance, diesen Aufwind f\u00fcr weiteren gesellschaftlichen H\u00f6hengewinn einzusetzen. Alles andere w\u00e4re mentale Ressourcenverschwendung.\r\rDie Spaltung der Stuttgarter B\u00fcrgerschaft w\u00e4re nicht erfolgt, wenn die Politik rechtzeitig erkannt h\u00e4tte, welch produktive Dynamik in der vermeintlichen Protestbewegung liegt. Die Frage nach dem gesellschaftlichen Wandel, so unsere \u00dcberzeugung, kann durch einen von oben dekretierten neuen Bahnhof am wenigsten beantwortet werden. Es geht um eine grunds\u00e4tzliche Neubestimmung dessen, was wir fortan unter Fortschritt verstehen wollen. Diese Debatte hat noch gar nicht richtig begonnen. Sie wurde durch die Faktenschlichtung geradezu verdeckt.\r\r\"Unser Pavillon\" erlaubt sich, in diese nicht nur Stuttgart betreffende Debatte mit den uns zur Verf\u00fcgung stehenden und vergleichsweise bescheidenen Mitteln konkret einzugreifen.\r\rIn einem ersten Schritt, der Initiationsphase, fungiert der Pavillon als Camera obscura und reproduziert damit eine Erfahrung, die man die \"Umkehrung der Verh\u00e4ltnisse\" nennen k\u00f6nnte. Ein f\u00fcr viele Stuttgarter nicht weiter erkl\u00e4rungsbed\u00fcrftiges Ph\u00e4nomen.\r\rEine Camera obscura ist ein dunkler Raum, in den durch ein kleines Loch das Licht der Au\u00dfenwelt eindringt und auf die gegen\u00fcberliegenden Seite ein auf dem Kopf stehendes Abbild erzeugt. Der von der Lenk-Skulptur eingerahmte Bahnhofsturm k\u00f6nnte in einer extremen Langzeitbelichtung f\u00fcr immer ins \u00f6ffentliche Ged\u00e4chtnis eingeschrieben werden. 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Doch, was eine Nacht- und Nebelaktion ist, haben wir von denen gelernt, die unserer Ansicht nach in unerlaubter Weise und in unmittelbarer Nachbarschaft des Pavillons B\u00e4ume gef\u00e4llt haben. Doch w\u00e4hrend diese B\u00e4ume unwiederbringlich dahin sind, kann \"Unser Pavillon\" jederzeit ohne Schaden an einen anderen Ort bewegt werden. Er steht auf insgesamt 24 R\u00e4dern. 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