{"id":6277,"date":"2011-06-27T21:39:53","date_gmt":"2011-06-28T08:39:53","guid":{"rendered":"http:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/?p=6277"},"modified":"2011-06-27T21:43:19","modified_gmt":"2011-06-28T08:43:19","slug":"rede-von-walter-sittler-bei-montagsdemo-am-27-06-2011","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/2011\/06\/27\/rede-von-walter-sittler-bei-montagsdemo-am-27-06-2011\/","title":{"rendered":"Rede von Walter Sittler bei Montagsdemo am 27.06.2011"},"content":{"rendered":"
Liebe Freunde eines vern\u00fcnftigen Nah- und Fernverkehrs, liebe Freunde unseres denkmalgesch\u00fctzten Kopfbahnhofes!<\/p>\n
Sehr lange, viel zu lange, war ich nicht mehr in Stuttgart, fast zwei Monate. Ich habe die Ereignisse in dieser Zeit t\u00e4glich aus der Ferne verfolgt und ich bin stolz Teil so vieler Menschen sein zu d\u00fcrfen, die sich Woche f\u00fcr Woche, Monat f\u00fcr Monat mit so viel Kraft, Durchhalteverm\u00f6gen und Phantasie friedlich f\u00fcr eine vern\u00fcnftige Politik einsetzen.<\/p>\n
Im Mai hat die neue gr\u00fcnrote Landesregierung ihre Arbeit aufgenommen. Der gr\u00f6\u00dfere Koalitionspartner will das unsinnige Projekt S21 stoppen und kann es nicht alleine, weil der kleinere Koalitionspartner dabei zwar mitmachen k\u00f6nnte, es aber nicht will. Die Koalitionspolitiker in Berlin, sowie die leitenden Angestellten der Bahn und auch unser Oberb\u00fcrgermeister haben deutlich gemacht, dass sie alles dransetzen werden dieses Projekt durchzudr\u00fccken, unabh\u00e4ngig von ungekl\u00e4rten Gefahren, von schlechter Planung oder nicht vorhandener Genehmigungen. Es bleibt also nur die B\u00fcrgerschaft von Stuttgart, die B\u00fcrgerschaft von Baden-W\u00fcrttemberg um das Verschleudern von Steuergeldern, die Zerst\u00f6rung eines Kulturdenkmals und die Behinderung des Bahnverkehrs auf alle Zeiten in Stuttgart durch S21, den neuen Herzinfarkt Europas,\u00a0 zu verhindern.<\/p>\n
Unsere Verfassung, in diesem Punkt noch unvollkommen und ver\u00e4nderungsbed\u00fcrftig, gibt uns betroffenen B\u00fcrgern keine ausreichende M\u00f6glichkeit in die Hand, im Wege direkter Demokratie \u00fcber ein solch unn\u00f6tiges Projekt mit zu entscheiden. Ein Mittel allerdings stellt die Verfassung zur Verf\u00fcgung, um unseren gew\u00e4hlten Vertretern unseren Willen zwischen den Wahlen kundzutun: das ist die Demonstration, die friedliche Demonstration der B\u00fcrgerinnen und B\u00fcrger auf der Stra\u00dfe. Und deswegen werden wir weiter auf die Stra\u00dfe gehen, gehen m\u00fcssen, zu Tausenden, zu Zehntausenden, lieber noch zu Hunderttausenden. Dieses Mittel ist aber nur wirksam, wenn wir unter allen Umst\u00e4nden friedlich bleiben, wie wir es bisher immer waren, denn das macht unsere Kraft aus.<\/p>\n
Ich verstehe sehr gut, wenn jemand aus Zorn, aus Emp\u00f6rung und verst\u00e4ndlicher Hilflosigkeit die Faust ballen m\u00f6chte. Die Verunglimpfungen, die Dem\u00fctigungen, das Ausgeliefertsein an arrogante M\u00e4chtige geben allen Anlass dazu. Ballt die F\u00e4uste, ballt sie so oft ihr wollt, so oft es notwendig ist, aber lasst sie in der Tasche. Wenn wir die H\u00e4nde wieder herausnehmen m\u00fcssen sei offen sein. Und wenn es trotzdem mal ein bisschen ruppig zugeht, nunja, wir sind schlie\u00dflich keine Heiligen und m\u00fcssen es auch nicht sein, ebenso wenig wir unser Gegen\u00fcber.<\/p>\n
Man kann aber Gewalt nicht mit Gewalt beenden, sondern nur mit unbedingter Friedfertigkeit, mit Respekt gegen\u00fcber dem Anderen, seiner Meinung und auch gegen\u00fcber dem Eigentum Anderer. So und nur so werden wir die wunderbare Unwiderstehlichkeit, die unb\u00e4ndige Phantasie, die \u00fcberw\u00e4ltigende Vielf\u00e4ltigkeit unseres Protestes weiter tragen, der unser Markenzeichen war, unser Markenzeichen ist und bleiben wird, durch den wir, man kann das ruhig so sagen, weit \u00fcber Deutschland hinaus bekannt geworden sind und der vielen Menschen Mut gemacht hat.\u00a0 Ziviler Ungehorsam in jeder Form gegen unsinnige, sch\u00e4dliche Projekte ist legitim, wenn er ohne Gewalt auskommt, weder gegen Personen noch gegen Dinge. Wenn einer von uns die Geduld verliert und zuschlagen will, m\u00fcssen wir ihn beruhigen, wie bisher auch. Wenn jemand uns provozieren und zu Gewalt verleiten will, m\u00fcssen wir dem widerstehen, egal wie verf\u00fchrerisch es sein mag endlich mal zur\u00fcckzuschlagen, endlich auch mal das zu tun, was uns st\u00e4ndig angetan wird. Wir wissen, was wir wollen und deswegen benutzen keine Gewalt, brauchen keine Gewalt, sondern Argumente, \u00dcberzeugungskraft und Wissen.<\/p>\n
Wir haben viele Mittel uns deutlich auszudr\u00fccken: wir haben den Schwabenstreich, wir k\u00f6nnen die Stadt mit gr\u00fcnen B\u00e4ndern schm\u00fccken, wir k\u00f6nnen Denkm\u00e4ler und B\u00e4ume verh\u00fcllen, um zu zeigen was passiert, wenn sie nicht mehr da sind, wenn\u00a0 eine Stadt gedankenlos verschandelt wird, wir k\u00f6nnen friedlich Pl\u00e4tze besetzen und auch Z\u00e4une versetzen \u2013 ohne irgend etwas zu zerst\u00f6ren. Lasst uns all diese Dinge tun, wenn es sein muss, der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Eines allerdings k\u00f6nnen wir nicht und wollen wir auch nicht: B\u00e4ume versetzen. Die sollen bleiben, wo sie sind.<\/p>\n
Die W\u00fcrde des Menschen ist unantastbar und wenn unsere Gegner uns dieses Grundrecht absprechen wollen, uns als Radikale abstempeln wollen, einfach nur, weil wir nicht ihrer Meinung sind, so setzen sie sich ins Unrecht, nicht uns.<\/p>\n
Wir haben einen langen, schwierigen, vielleicht entscheidenden Sommer vor uns. Lasst uns alle unsere ganze Kraft, unsere Phantasie und unseren Mut zusammennehmen, dann schaffen wir es, dann werden wir: Oben bleiben!<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Liebe Freunde eines vern\u00fcnftigen Nah- und Fernverkehrs, liebe Freunde unseres denkmalgesch\u00fctzten Kopfbahnhofes! Sehr lange, viel zu lange, war ich nicht mehr in Stuttgart, fast zwei Monate. Ich habe die Ereignisse in dieser Zeit t\u00e4glich aus der Ferne verfolgt und ich … Weiterlesen