{"id":6305,"date":"2011-06-29T19:02:08","date_gmt":"2011-06-30T06:02:08","guid":{"rendered":"http:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/?p=6305"},"modified":"2011-06-29T20:20:25","modified_gmt":"2011-06-30T07:20:25","slug":"die-bahn-pokert-um-kosten-und-ausstieg","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/2011\/06\/29\/die-bahn-pokert-um-kosten-und-ausstieg\/","title":{"rendered":"Die Bahn pokert um Kosten und Ausstieg"},"content":{"rendered":"

Die Bahn hat keinen Anspruch auf Schadensersatz! Das Poker um
\ndie Kosten von Baustopp und Ausstieg bei Stuttgart 21<\/strong><\/p>\n

Ein Beitrag von Eberhard Frasch.<\/p>\n

Zum Inhalt: Im Mittelpunkt steht der Finanzierungsvertrag zu Stuttgart
\n21 und meine Kritik daran. Ich finde, dass die Fragw\u00fcrdigkeit dieser
\nsogenannten Rechtsgrundlage viel zu wenig beachtet wird.<\/p>\n

„Stuttgart 21: Die Bahn hat keinen Anspruch auf Schadensersatz!“
\nDas Ganze erinnert schon an das Hase-Igel-Spiel: Igel 1 (Bahnvorstand Kefer \u201everhandle mit dem Eigent\u00fcmer\u201c) hetzt den Hasen (Kretschmann auf der Suche nach Konsens und Kompromiss) zu Igel 2 (Minister Ramsauer), dieser (\u201ebin weder Polier noch Bauherr\u201c) den Hasen zur\u00fcck zu Igel 1 \u2026 Der Konflikt um das Projekt Stuttgart 21 konnte durch die Schlichtung mit Heiner Gei\u00dfler nicht nachhaltig gel\u00f6st werden. In diesem Verfahren wurden zwar Kostenfragen thematisiert, nicht jedoch die Rechtsgrundlagen der staatlichen Zusch\u00fcsse. Auch heute beruft sich die Deutsche Bahn auf geltende Vertr\u00e4ge. Meine These: Die Bahn hat keinen Anspruch auf Schadensersatz!
\nGrundlage der Kostenregelung von Stuttgart 21 ist der Finanzierungsvertrag zwischen den Bahnunternehmen, dem Land Baden-W\u00fcrttemberg, Stadt und Region Stuttgart sowie der Flughafen-GmbH, abgeschlossen am 2.4.2009. Dieser Vertrag ist ein Monstrum, das sich seit zwei Jahren im Stuttgarter Untergrund, also im Bereich der drohenden Baugrube f\u00fcr den Tiefbahnhof und der gef\u00e4hrdeten Mineralquellen bewegt – weitgehend unsichtbar und doch au\u00dferordentlich m\u00e4chtig. Wie komme ich zu dieser Einsch\u00e4tzung? Nun; er steckt voller Widerspr\u00fcche und Unklarheiten.<\/p>\n

Versteckspiel mit der \u00d6ffentlichkeit<\/strong>
\nDie Vertragspartner und Bef\u00fcrworter haben den Finanzierungsvertrag vor der \u00d6ffentlichkeit versteckt. Frau G\u00f6nner hat ihn erst Mitte M\u00e4rz 2011 komplett mit allen nicht-geheimen Anlagen auf der Website ihres Ministeriums ver\u00f6ffentlicht \u2013 zwei Jahre nach Vertragsabschluss. Als ich sie zuvor am 18.11.2010 pers\u00f6nlich nach den Gr\u00fcnden f\u00fcr dieses Versteckspiel gefragt hatte, antwortete sie mit einer Gegenfrage \u201eW\u00fcrden Sie, wenn Sie eine Immobilie erworben haben, den Kaufvertrag ins Internet stellen?\u201c Festzustellen ist, dass heute offenbar nicht mehr gilt, was zwei Jahre lang richtig und notwendig gewesen sein soll. Der Vertrag ist zwar als Landtagsdrucksache ver\u00f6ffentlicht, jedoch ohne jegliche Anlage. Kein Vertragspartner hatte und hat bis heute \u2013 au\u00dfer der Landesregierung – den Vertrag, publiziert – auch nicht in dieser Kurzversion. Alle Anfragen landeten beim sogenannten Kommunikationsb\u00fcro \u2013 aber auch dort Fehlanzeige.
\nDer Vertrag ist nicht wirklich demokratisch legitimiert. Er beruht auf einer kaum nachvollziehbaren Verschachtelung von Zust\u00e4ndigkeiten und Erm\u00e4chtigungen. Das Beispiel Regionalverband Stuttgart: 2007 erm\u00e4chtigte die Regionalversammlung erst den Regionaldirektor zum Abschluss einer Vereinbarung zum Bau und kurz darauf das Land, im Namen des Regionalverbands einen Vertrag mit den Bahnunternehmen abzuschlie\u00dfen. Abgeschlossen wurde er erst 2009.
\nNach \u00a7 15 des Vertrags gilt \u201eDer Vertrag steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die zust\u00e4ndigen Beschluss- und Aufsichtsgremien der Vertragsparteien.\u201c Mit einer Ausnahme wurde der Vertrag keinem parlamentarischen Gremium zur Abstimmung vorgelegt. Es wurde \u2013 f\u00fcr mich \u00e4u\u00dferst fragw\u00fcrdig \u2013 stets auf Vorab-Erm\u00e4chtigungen verwiesen.<\/p>\n

Rechtliche Fehler und Unstimmigkeiten<\/strong>
\nDer Vertrag enth\u00e4lt rechtliche Fehler und Unstimmigkeiten. Der Stuttgarter Landtag segnete \u2013 das ist die angesprochene Ausnahme – den Vertrag am 13.5.2009 zwar in einer Entschlie\u00dfung ab. Doch es ergeben sich daraus zahlreiche Fragen:
\nWarum lag der Vertrag nicht komplett zur Abstimmung vor? Nach \u00a7 16 sind die Vertragsanlagen \u201eBestandteil des Vertrags\u201c. Die Landtagsdrucksache enth\u00e4lt von den 17 nicht-vertraulichen Anlagen keine einzige. Auf Nachfrage wurde von Seiten der Mehrheitsfraktionen (inklusive SPD) unisono betont, dass der Vertrag eigentlich nicht zwingend zustimmungspflichtig sei und dass die Abgeordneten Einsicht nehmen konnten. Au\u00dferdem handle es sich um einen Vertrag mit einem Privatunternehmen, da sei es \u00fcblich, nicht alles offenzulegen. Meine Nachfragen mit Hinweis auf den Paragrafen 16, auf die Gemeinwohlverpflichtung der Bahn sowie auf den Charakter eines \u00f6ffentlich-rechtlichen Vertrags (s. Gutachten Hermes \/Wieland) wurden nicht beantwortet. Die Widerspr\u00fcche, die in diesen Argumenten stecken, wurden eindrucksvoll durch den schon angesprochenen Zick-Zack-Kurs von G\u00f6nner bei der Nicht-\/Ver\u00f6ffentlichung best\u00e4tigt.<\/p>\n

Ist der Vertrag verfassungsgem\u00e4\u00df?<\/strong>
\nDer Berliner Professor f\u00fcr Verfassungsrecht Hans Meyer kam im November 2010 – ausgehend vom Verbot der Mischfinanzierung einer Bundesaufgabe – zu dem Ergebnis der \u201eNichtigkeit des Finanzierungsvertrages\u201c sowie des \u201eVerbots weiterer Zahlungen\u201c. Warum die baden-w\u00fcrttembergischen Gr\u00fcnen nun das von ihnen selbst in Auftrag gegebene Gutachten nicht ernstnehmen und auf eine Normenkontrollklage beim Staatsgerichtshof verzichten, ist mir ein R\u00e4tsel. Sie k\u00f6nnten auch die Zahlungen f\u00fcr das Projekt einstellen und es auf einen Rechtsstreit bis zum Bundesverfassungsgericht ankommen lassen, wenn sie der Koalitionspartner lie\u00dfe.
\nMit dem Lenkungskreis haben die Vertragspartner ein unkontrollierbares Geheimorgan mit weitestgehenden Befugnissen geschaffen. Der Lenkungskreis tagte u.a. am 10.12.2009. Dieses Gremium war durch den Finanzierungsvertrag installiert worden, die Gesch\u00e4ftsordnung und die Regelungen zur Geheimhaltung finden sich in den im M\u00e4rz publik gewordenen Anlagen. Er gab in dieser geheimen Sitzung \u201egr\u00fcnes Licht f\u00fcr den roten Punkt\u201c, also freie Bahn f\u00fcr den Abriss des Bahnhof-Nordfl\u00fcgels und die B\u00e4umef\u00e4llung. Unwiderruflich, so Oettinger. Die Brisanz: Der Vorgang war von au\u00dfen nicht \u00fcberpr\u00fcfbar, auch nicht von Abgeordneten, und die Bahn bestimmte als Nutznie\u00dfer der Entscheidung das Verfahren mit ihrer mysteri\u00f6sen Kostenangabe (4,1 Milliarden Euro).<\/p>\n

Die Gesch\u00e4ftsgrundlage entf\u00e4llt<\/strong>
\nAlle Indizien deuten darauf hin, dass die Bahn mehrfach und nicht nur fahrl\u00e4ssig zu niedrige Kostenangaben in diesen Vertrag eingebracht hat, auf denen die Zusch\u00fcsse der anderen Partner fu\u00dfen. Es w\u00fcrde an dieser Stelle zu weit f\u00fchren, alle Publikationen, die sich auf Insiderinformationen st\u00fctzen, wiederzugeben. Die wichtigsten Aussagen fanden sich in der Stuttgarter Zeitung vom 8. und 15.12.2010 unter den \u00dcberschriften „Bahn behielt Wissen f\u00fcr sich.\u201c und „Versto\u00df gegen Treu und Glauben?“ sowie im Stern vom 5. 4. 2011 „Ein Bahnhof voller Risiken.“
\nNoch besteht Hoffnung: Der Stresstest k\u00f6nnte im Juli zeigen, dass S21 nur dann gegen\u00fcber K20 und K21leistungsf\u00e4higer w\u00e4re, wenn der Kostenrahmen von 4,5 Milliarden gesprengt w\u00fcrde. Und: Der neuen Landesregierung k\u00f6nnte es gelingen, die m\u00f6glicherweise vors\u00e4tzlichen Falschangaben der Bahn offenzulegen. Hat die Bahn Anspruch auf Schadensersatz? Nicht auf der Basis mutma\u00dflich gef\u00e4lschter Kostenangaben und nicht auf der Basis eines Finanzierungsvertrags, der auf Kr\u00fccken daherkommt: rechtsfehlerhaft, verfassungswidrig, so gut wie nicht legitimiert – ein Produkt schw\u00e4bischer Geheimdiplomatie.<\/p>\n

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Die Bahn hat keinen Anspruch auf Schadensersatz! Das Poker um die Kosten von Baustopp und Ausstieg bei Stuttgart 21 Ein Beitrag von Eberhard Frasch. Zum Inhalt: Im Mittelpunkt steht der Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 und meine Kritik daran. Ich finde, … Weiterlesen →<\/span><\/a><\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[123,663,163,133,660,546,201,15],"tags":[1172,1129,1622,1179,1620,1516,1236,1127],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6305"}],"collection":[{"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=6305"}],"version-history":[{"count":4,"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6305\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":6307,"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/6305\/revisions\/6307"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=6305"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=6305"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=6305"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}