1997: Offene Bürgerbeteiligung

Das Planfeststellungsverfahren sieht ja schon eine Bürgeranhörung vor. Aber die kommt oft zu einem Zeitpunkt, wenn die Bürger auf das jeweilige Projekt noch gar nicht ausreichend aufmerksam geworden sein können.

Viele Stimmen werden momentan laut und fragen: warum haben sich die Bürger der Stadt Stuttgart nicht schon viel früher in den Entscheidungsprozess über das Projekt Stuttgart21 eingeklinkt. Warum werden die Bürger jetzt so massiv aktiv? Ist doch klar, je näher die Entscheidung rückt, desto größer wird der Widerstand. Aber nicht dass die Stuttgarter falsch verstanden werden, denn die Beteiligung und das Interesse für das Projekt S21 startete schon damals.

Es war mal in 1997:
ein Beispiel, wie demokratisch es schon damals bei einer „offenen Bürgerbeteiligung“ zuging. Es war ja nicht so, als hätte man es nicht versucht. Aber ein sehr schöner Satz aus dem ganzen Video, der nicht bezeichnender sein könnte, ist:

„Ich sage Ihnen ausdrücklich: die Spielregeln für diese Bürgerbeteiligung sind ausdrücklich festgelegt…“ Na dann, irgendwas lief damals schon falsch. Ein Dialog mit tatsächlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten für beide Seiten hätte allen Beteiligten so viel weiter geholfen. Aber so ist das mit der Demokratie. Manchmal kann man sie auch einfach ausschalten. Schade.

Einige ausgewählte Kommentare:

„Ausgelöst durch die Notwendigkeit, den Stuttgarter Bahnhof von einem Sackbahnhof zu einem Durchgangsbahnhof umzugestalten…“
Bereits im ersten Satz eine Lüge! Es gab damals keine Notwendigkeit, den Stuttgarter Bahnhof in einen Durchgangsbahnhof umzuwandeln, und es gibt sie auch heute nicht.

Genau so funktioniert »conology«: Beginne mit der unverschämtesten Lüge, mit einer falschen Prämisse gleich am Anfang (Überschriften in Zeitungen…!). Wer dieser widerspruchslos folgt, hat sein Denken bereits aufgegeben, ist bereits halb eingewickelt worden.

Danke für dieses Video, das ganz unzweideutig deutlich macht, dass schon damals KEINE Bürgerentscheidung gewollt war.

Da gibt es einen schönen Bericht in der ZEIT (www.zeit.de/2010/39/Bahnprojekt-St­uttgart-21, 24.9.2010, 3 WebSeiten):

Stuttgart 21: Ausgetrickst und abgekanzelt

Wie Politiker aktiv verhinderten, dass die Bürger beim neuen Stuttgarter Bahnhof mitbestimmen.

[…] Der Protest hat an manchen Stellen die Bodenhaftung verloren, aber er ist andererseits zu groß, zu bürgerlich, zu aufgeklärt, um ihn einfach abzutun.
[..]
Wie konnte es nur so weit kommen? Gab es doch am Anfang in der Bevölkerung eine Mehrheit für den neuen Bahnhof. Antworten finden sich in einem Videoausschnitt und einem bislang unveröffentlichten Gedächtnisprotokoll. Zusammen ergeben sie ein Bild, das von einer Ignoranz der Mächtigen zeugt, die an alles dachten und dabei einen vergaßen: den Bürger.
[…]
Mit einer schnellen Unterschrift schuf Stuttgarts Oberbürgermeister Fakten
[…]
Was an diesem Montag, dem 11. Oktober 2004, geschieht, hat Palmer in einem ausführlichen Gedächtnisprotokoll festgehalten, das der ZEIT vorliegt. Demnach erhält Palmer am Nachmittag einen Anruf von Schuster, er will ein Treffen. In Schusters Amtszimmer geht es gleich zur Sache. Um 16.35 Uhr sind sich die beiden »in allen Punkten einig«: Schuster sagt zu, dass er das Volk befragen will, wenn Stuttgart 21 für die Stadt deutlich teurer würde als geplant. Sie vereinbaren laut Palmer, dass Mehrkosten von »120 Millionen Euro ein Grund für einen Bürgerentscheid wären«. Am Dienstagmittag treten sie vor die Presse. Schuster sagt, ein Bürgerentscheid sei »möglich und nötig«, wenn auf die Stadt »erhebliche Mehrkosten« zukämen. Heute nennt der OB die 120 Millionen »völlig aus der Luft gegriffen«, seine Zusage sei an »eine Milliarde Euro Mehrkosten« geknüpft gewesen. Hat er bloß vergessen, dass in einer Pressemitteilung der Stadt vom 23. Juli 2007 von »Mehrkosten deutlich im dreistelligen Millionenbereich« die Rede ist?
[…]
Nach heutiger Planung beteiligt sich die Landeshauptstadt mit 238,5 Millionen Euro an Stuttgart 21 und hat weitere 53,3 Millionen Euro für einen Risikofonds zugesagt, falls das nicht ausreicht. Das wären Mehrkosten von 160 bis 214 Millionen Euro. »Das ist ganz eindeutig über der Schwelle, die wir für einen Bürgerentscheid vereinbart haben«, sagt Palmer. Das Volk befragen wollte Schuster aber trotzdem nicht. Für Palmer ist das Wortbruch.

Noch schwerer wiegt ein Vorfall aus dem Herbst 2007. Am 13. September gründet sich ein Bündnis aus Projektgegnern mit dem Ziel, Unterschriften zu sammeln, falls der Gemeinderat keinen Bürgerentscheid auf den Weg bringt. Genau so kommt es am Abend des 4. Oktobers. Der Gemeinderat stimmt nicht darüber ab. Keine 24 Stunden später unterschreibt Schuster die Finanzierungszusagen der Stadt für Stuttgart 21.

-> den ganzen Artikel lesen (3 WebSeiten)

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