Rede des Gründers der Parkschützer, Klaus Gebhard, gehalten am 9. Mai 2011 am Grundwassermanagement für Stuttgart 21.
Werte Stuttgart-Schützer,
wir stehen hier vor dem, was die Bahn so verharmlosend ‚Grundwassermanagement‘ nennt. In Wahrheit handelt es sich um die größte und akuteste Gefahr für unseren Schlossgarten, bis hin zum Rosensteinpark. Derzeit liegt der Grundwasserspiegel hier etwa 5 Meter unter der Oberfläche und die Bäume im gesamten Schlossgarten sind dringend auf dieses Grundwasser angewiesen. Wer 18 Meter tief graben will, kann das Wasser aber nicht in der Baugrube gebrauchen. Deshalb wurde dieses Pumpenhaus mit seinen riesigen Wassertanks gebaut, deshalb will die Bahn 17 km Rohre quer durch unsere Stadt verlegen.
Der Aufbau dieses Grundwassermanagements hat am 30.9. mit einem brutalen Polizeieinsatz und der illegalen Fällung von Parkbäumen begonnen. Es kann uns und unserem Schlossgarten auch in Zukunft nichts Gutes bringen, denn wenn man es schafft Trockenheit für eine so tiefe Baugrube herzustellen sitzen zwangsläufig auch die Parkbäume auf dem Trockenen.
Gott sei Dank, werden Sie sagen, gibt es erst mal einen Baustopp, und Gott sei Dank setzt sich unsere neue Regierung dafür ein, dass dieser Baustopp bis zum Herbst verlängert wird … Aber halt. In den letzten Tagen wurden diese riesigen blauen Tanks, die wir sehen, miteinander verbunden, es wurden Rohre angeflanscht, es sind Arbeiter auf dem Gelände, die offensichtlich nicht gekommen sind, um die Sonne zu genießen. Wer die Sache etwas genauer beobachtet, so wie das aufmerksame Parkschützer tun und dokumentieren, der merkt schnell, von einem Baustopp kann nicht die Rede sein. Hier direkt auf dem Gelände wird fleißig gearbeitet, die Stadt wird vermessen, damit demnächst dicke blaue Rohre verlegt werden können, der angebliche Baustopp von Herrn Grube ist reine Augenwischerei; hier wird weitergebaut.
Am Grundwassermanagement wird also gebaut. Gleichzeitig musste Eckart Fricke von der Bahn am vergangenen Montag im Rathaus einräumen, dass sich Grund- und Mineralwasser keineswegs so verhalten, wie die Bahn das in ihren Planungen voraussetzt. Die Bodenschichten seien teils durchlässiger als angenommen, räumte Herr Fricke ein. Das Mineralwasser läuft wohl doch nicht so brav geradlinig in konstanter Tiefe, wie es die Planer der Bahn vorhergesehen hatten. Und angesichts dieser Eskapaden des Wassers ist natürlich nichts sicher, auch die Mineralbäder nicht. Mit welchen Wassermengen man es letztlich zu tun hat, ist zumindest der Bahn unklar. Ob man das anfallende Wasser mit den aufgebauten Pumpen abpumpen könnte und dürfte, ist genauso unklar.
Und es kommt noch dicker: Die von Dr. Wilhelm Scholz (S21-Befürworter!) und Dr. Rupert Prestel veröffentlichten hydrologischen Ergebnisse besagen, dass die Mineralwasserströme rund um Stuttgart wesentlich anders verlaufen als von der Bahn angenommen und in der Planung für Stuttgart 21 vorausgesetzt. Ganz praktisch besagt die Veröffentlichung der beiden Geologen, dass die im Bereich von Stuttgart-Wangen geplanten, sich unter dem Neckar kreuzende, Tunnelröhren quer zum „neuen“ Mineralwasserstrom verlaufen. Der geplanten Tunnelbau in diesem Bereich verläuft 47 m unter dem Druckspiegel des unter hohem Druck stehenden, gasreichen Mineralwassers. Durch die Auflockerung des Gesteins durch diese Baumaßnahmen ist ein unnatürliches Aufdringen des Mineralwassers sehr wahrscheinlich, wenn nicht sogar unumgänglich. Durch die geringe Höhendifferenz zum darüber liegenden Neckar, wäre ein Ausfluss des Mineralwassers in den Neckar wohl die Folge. Cannstatt würde einen großen Teil seines Mineralwassers verlieren.
Das Wasser hält sich also nicht an die Planung der Bahn, und das ist auch den Baufirmen inzwischen klar, die hier graben sollen. Sie wissen, dass die Kritiker recht haben, wenn sie vor unkontrollierbarem Untergrund, Mineralwasser und unkalkulierbaren Risiken warnen. Da ist es ganz folgerichtig und vernünftig, wenn diese Firmen sich nicht bewerben wollen für die Aufträge, mit denen unsere heimische Wirtschaft gefördert werden soll. So einfache, überschaubare Arbeiten, wie wir sie hier am Grundwassermanagement in den letzten Tagen beobachtet haben, übernimmt natürlich jede Baufirma gerne. Aber für die riskanten Grabungsarbeiten will einfach niemand ein Angebot abgeben. Und das dürfte auch der wahre Grund sein für den Vergabestopp, den Herr Grube so großzügig verkündet hat.
Daraus folgt doch aber, dass nicht die Bahn für Verzögerungen und den bevorstehenden Ausstieg entschädigt werden muss, sondern Stadt und Land müssen entschädigt werden, weil die Bahn ihnen etwas versprochen hat (und dafür viel Geld bekommen hat), was nicht zu halten ist. Es ist technisch nicht möglich, diesen ‚tollen neuen Bahnhof‘ zu bauen, der all das hält, was die vielen Werbeprospekte versprechen. Es ist technisch nicht möglich, hier überhaupt einen Tiefbahnhof quer zum Tal zu bauen, ohne unser Mineralwasser massiv zu gefährden. Die Bahn hat genau das jahrelang versprochen und verkauft. Nun kann sie nicht Entschädigung verlangen von denen, die diesen Versprechungen geglaubt haben.
Herr Schuster sollte jetzt wahr machen, was er letzten Herbst immer wieder betont hat: (1) „Wenn wir bei einer objektiven Bewertung herausfinden sollten, dass das geplante Grundwassermanagement nicht ausreicht, dass die Tunnelbauten diesen Naturschatz gefährden würden, dann hätten wir eine neue Faktenlage. Für mich wäre die konkrete Gefährdung unseres Mineralwassers ein absolutes K.O.-Kriterium für Stuttgart 21.“ … dem er mit einem Baustopp begegnen will. (2) Und er sollte schon einmal die Entschädigungsforderungen der Stadt bei der Bahn anmelden; denn auf sein Betreiben hin hat die Stadt der Bahn viel Geld bezahlt, für ein Versprechen, das die Bahn nicht halten kann.
(1) Zitat OB Wolfgang Schuster, Frankfurter Rundschau 09.10.2010.
(2) Focus, 17.11.2010: „Wenn es eine konkrete Gefährdung geben könnte, würde die Stadt sofort Maßnahmen zur Beseitigung dieser Gefahren einfordern – notfalls mit vorläufigem Baustopp“, sagte Schuster der Wochenzeitung „Die Zeit“ laut einem am Mittwoch veröffentlichten Vorabbericht. „Eine Prämisse war immer der Schutz unseres Mineralwassers“, sagte Schuster weiter. Die Stadt werde das Grundwassermanagement, das dem Schutz der Mineralquellen dient, deshalb „ganz genau und sehr kritisch beobachten“.