Anklage wg. Besetzung des Abrissbaggers am Nordflügel
Stuttgart, 3. Februar 2011: Heute wurden sechs Aktivistinnen und Aktivisten von ROBIN WOOD und von den Parkschützern einkommensabhängig zu 15 Tagessätzen zwischen fünf bis 20 Euro verurteilt.
Die Angeklagten werden Rechtsmittel gegen diese Urteil einlegen, obwohl im Falle von Berufung bei Gerichtsurteilen bis zu 15 Tagessätzen diese erschwert ist: Es besteht eine sogenannte „Annahmeberufung“; d. h., man kann zwar einen Antrag auf Berufung stellen, aber letztlich entscheidet das Landgericht, ob der Antrag angenommen wird. Daher sieht der Verteidiger der Angeklagten im Urteil den Versuch, die Angeklagten ruhigzustellen und sie von einer Berufung abzuhalten.
In einer achtstündigen Anhörung mussten sich die S21-Gegner gegen ihre Kriminalisierung vor Gericht wehren. Sie hatten im August vergangenen Jahres gegen Stuttgart 21 demonstriert und waren in der Nähe eines besetzten Abrissbaggers am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs von der Polizei angetroffen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Hausfriedensbruch vor und hatte ihnen Strafbefehle über 30 Tagessätze à 20 Euro zugestellt. Alle Angeklagten hatten Einspruch dagegen eingelegt.
Zu Beginn musste die Richterin die Sitzung für etwa eine halbe Stunde zur Beratung unterbrechen, weil die Angeklagten einen Antrag auf einen schusswaffenfreien Gerichtssaal stellten. Dieser Antrag bezieht sich auf die Tatsache, dass Polizisten, die als Zeugen vor Gericht aussagen, ihre Dienstwaffe nicht vor dem Gerichtssaal ablegen müssen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Rückblick: Am 30. August 2010 demonstrierten Aktivist(inn)en von ROBIN WOOD und den Parkschützern gemeinsam den Abriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Rahmen des Prestigeprojekts Stuttgart 21. Drei Gegner/-innen kletterten in den frühen Morgenstunden auf einen Abrissbagger, hängten Transparente an den Greifarm und forderten einen Baustopp.
Die Aktion richtete sich dagegen, dass die Deutsche Bahn – trotz massenhafter Proteste gegen den überteuerten und unsinnigen Bahnhofsneubau – weiter Fakten schaffte, indem sie den Nordflügel des bestehenden Bahnhofs abreißen ließ. Nach rund fünf Stunden wurden die drei Kletterer von der Polizei geräumt. Zwei von ihnen wurden am 7. Dezember 2010 bereits zu einer Geldstrafe verurteilt und haben dagegen Rechtsmittel eingelegt. Von den Umstehenden nahm die Polizei Personalien auf, fotografierte sie und nahm sie in Gewahrsam. Obwohl gerichtlich festgestellt wurde, dass die Umweltschützer/-innen umgehend aus dem Gewahrsam zu entlassen sind, blieben alle bis zum Ende der Baggerräumung weggesperrt – und bekamen anschließend obendrein Strafbefehle nach Hause geschickt. Auch hier überlegen sich die Angeklagten, ob sie verwaltungsgerichtlich feststellen lassen, dass diese Freiheitsberaubung unzulässig war.
ROBIN WOOD und die Parkschützer sehen in der Androhung hoher Geldstrafen den Versuch, Aktionen des Zivilen Ungehorsams zu kriminalisieren und – gerade jetzt, da sich der Widerstand neu formiert – Bürger abzuschrecken, sich gegen S21 zu wehren.