Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 startet ein neues Bürgerbegehren mit dem Ziel des Ausstiegs der Stadt Stuttgart aus dem Projekt. In der Schlichtung wurden viele Defizite des Projekts aufgezeigt. Jetzt soll zusätzlich die fehlende rechtliche Legitimität von Stuttgart 21 in den Blick genommen werden. „In dieser Stadt gibt es einen ungelösten Konflikt, ein Gefühl der Ohnmacht – trotz Faktencheck, trotz Schlichterspruch. Dieser Konflikt kann nur gelöst werden, indem die Bürger endlich die Möglichkeit erhalten, zumindest über die Zuschüsse der Stadt zu Stuttgart 21 selber abstimmen zu können, mit dem Ziel einer friedlichen Koexistenz in unserer Stadt“, sagt Sigrid Klausmann-Sittler, eine der drei Vertrauensleute des Bürgerbegehrens.
Hintergrund des nun gestarteten Bürgerbegehrens ist die verfassungswidrige Beteiligung der Stadt an Stuttgart 21. Stuttgart 21 ist ein Bahnprojekt. Es sollen neue Schienenwege und ein neuer Durchgangsbahnhof gebaut werden. Der Bau von Eisenbahninfrastruktur ist grundsätzlich Sache des Bundes. Der Bund hat hierfür allein die Verwaltungszuständigkeit. Er ist deshalb auch verpflichtet, diesen Bau zu finanzieren. Aus Art. 104 a Abs. 1 GG ergibt sich das Verbot der Finanzierung des Baus von Eisenbahnen des Bundes durch die Länder und Gemeinden. Über ihre Projektbeteiligung finanziert die Stadt Stuttgart (nach derzeitigem Stand mit einem Anteil von maximal 291,8 Mio. €) somit eine Bundesaufgabe mit. Die pauschale Mitfinanzierung des Eisenbahnprojekts Stuttgart 21 durch die Stadt Stuttgart (und das Land Baden-Württemberg) ist deshalb verfassungswidrig.
Die Verfassungsnorm Art. 104 a GG ist überragend wichtig für das solidarische und bundesstaatliche Zusammenleben der Länder (BVerfGE 72, 330). „Es darf nicht sein, dass sich reiche Länder die Infrastruktur des Bundes „einkaufen“, die sich ärmere Länder nicht leisten könnten“, so Rechtsanwalt Bernhard Ludwig vom Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ und Vertrauensperson. Der Bund hat nur begrenzt Mittel für die Bahn übrig.
Wenn er dieses Geld in dem Land investiert, das am meisten dazu zahlt, fehlt es an Geld für Schienenwege an anderer Stelle, die wesentlich wichtiger und nutzbringender sein können.
“Kommunale Mittel werden für das äußerst umstrittene Großprojekt Stuttgart 21 verfassungswidrig zweckentfremdet, statt sie in die dringend benötigte Sanierung unserer oft desolaten Schulgebäude zu investieren, wofür sie eigentlich vorgesehen sind,“ meint Axel Wieland, 1. Vorsitzender des BUND Region Stuttgart und ebenfalls Vertrauensperson.
Ist die Projektbeteiligung der Stadt Stuttgart (und des Landes Baden-Württemberg) an dem Projekt Stuttgart 21 verfassungswidrig, führt dies dazu, dass alle bisher abgeschlossenen Verträge nichtig sind. Die Stadt ist deshalb nicht an diese Verträge gebunden und kann ihre Mitgliedschaft am Projekt beenden. Weitere Beitragszahlungen muss sie nicht leisten.
Ziel des Bürgerbegehrens ist es, den Beschluss herbeizuführen, dass die Stadt gegenüber den Projektpartnern die Beendigung ihrer Beteiligung erklärt. „Wenn die Stadt das Grundgesetz nonchalant bricht, dann sind die Bürger aufgerufen, dem einen Riegel vorzuschieben“, betont Rechtsanwalt Ludwig.
Ob die anderen Partner das Projekt ohne die Stadt vollenden, ist nicht Gegenstand des Begehrens.
www.buergerbegehren-stuttgart.de
www.juristen-zu-stuttgart21.de