Strafantrag der Bahn ist zunehmend fragwürdig
Stuttgart, 31. März 2011: Bei der dritten Verhandlung im Prozess um die Besetzung des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs sprach das Amtsgericht heute Nachmittag erneut milde Strafen aus. Die Richterin blieb mit zehn Tagessätzen zu einkommensabhängig 10 bis 30 Euro an der unteren Grenze des Strafmaßes. Am 26. Juli 2010 hatten über 50 Stuttgart-21-Gegner im denkmalgeschützten und leergeräumten Nordflügel gegen dessen Abriss protestiert.
Das Gericht wertete den Strafantrag, der von der DB Station und Service GmbH gestellt wurde, als zulässig, obwohl im Laufe der Verhandlung klar wurde, dass die Post AG zum Zeitpunkt des Protests noch Nutzungsrechte und damit Hausrecht hatte. Aus dieser Lage heraus hätte die Bahn nach Ansicht des Verteidigers der Parkschützer gar keinen Strafantrag stellen dürfen.
„Die Richterin hat sich bei der Bemessung der Strafen an den ersten beiden Verhandlungen orientiert und Milde walten lassen“, sagte der Verteidiger der Parkschützer, Matthias Müller. „Einer der Angeklagten bat das Gericht, jetzt nach dem grün-roten Wahlerfolg und angesichts des bevorstehenden Regierungswechsels einen Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens zu verkünden. Dieses klare Zeichen für einen Politikwechsel wollte das Gericht aber nicht setzen.“
Die Bahn folgte nicht der Anregung des Verteidigers, die Strafanträge zurückzuziehen. Hintergrund für diesen Vorschlag ist, dass die Zuständigkeiten zwischen Bahn und Post sowie bei der Bahn selbst nicht eindeutig geklärt sind und dass der Nordflügel schon seit Monaten abgerissen ist. Über Rechtsmittel gegen das Urteil entscheiden die Angeklagten in den nächsten Tagen. (31.03.2011 von Matthias von Herrmann)