Kompromissvorschlag an die grün-roten Koalitionäre
Wir Parkschützer sind gegen Stuttgart 21, ohne wenn und aber. Und wir denken auch nach wie vor, dass genügend Argumente gegen dieses Projekt genannt wurden, um es ohne weitere Umwege zu beerdigen.
Wir sehen, dass es in der Politik notwendig ist, Kompromisse zu schließen. Deshalb machen wir den Koalitionären von SPD und Grünen heute einen Vorschlag für einen Kompromiss, auf den sie sich in ihrem Koalitionsvertrag einigen könnten – im Interesse aller.
Zu gewinnen ist eine demokratisch legitimierte Entscheidung mit breitem und solidem Fundament.
Zunächst zum Fundament:
Bislang ist es mangelhaft: Es ist völlig unklar, was denn nun tatsächlich gebaut werden soll. Die Bahn hat Pläne für S21, redet von S21Plus, und was sie baut, passt weder zum einen noch zum anderen. Die Kostensituation ist noch viel undurchsichtiger. Öffentlich bekannte Fakten und Indiskretionen belegen nur, dass es viel teurer wird, als offiziell zugegeben. Deshalb schlagen wir Parkschützer Euch, liebe Koalitionäre, folgendes vor: Macht eine aktualisierte und geprüfte Planung sowie eine transparente Kostenkalkulation zur Voraussetzung für alle weiteren Entscheidungen.
Und nun zur Entscheidung:
Auf dieser Grundlage schlagen wir Euch einen Volksentscheid über Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm vor, denn das ist die zentrale Forderung der SPD. Angesichts der Kostenlüge der Bahn, angesichts der technischen Mängel und der fehlenden Planfeststellung wäre ein sofortiger Projektstopp angebracht, auch gemessen an den Positionen der SPD. Aber ein Kompromiss muss auf alle Beteiligten zugehen, und wenn das Volk das letzte Wort hat, ist das kein schlechter Kompromiss.
Schließlich bitten wir Euch dringend, eine verbindliche Zeitschiene zu beschließen, bis wann eine belastbare Planung vorliegen muss. Es kann nicht sein, dass der Bahnknoten Stuttgart weitere 15 Jahre auf ein zeitgemäßes Stellwerk wartet, weil die Bahn die XXXL-Lösung verspricht, mit der Planung aber nicht vom Fleck kommt.
Wir machen Euch also folgenden Vorschlag: Das Land Baden-Württemberg fordert die Bahn auf, bis spätestens Ende Juli 2011 folgendes öffentlich prüfbar vorzulegen:
- Den Stresstest: im Auftrag des Landes, geprüft durch die SMA
- Die Planung: aktuell, belastbar und öffentlich prüfbar.
Klar muss sein,- welche Ergebnisse aus Faktencheck und Stresstest die Bahn umsetzt,
- wie die Flughafenanbindung gelöst werden soll,
- welche Konsequenzen die gescheiterten Ausschreibungen haben.
Über die ’notwendige Reife der Planung‘ entscheidet das Eisenbahnbundesamt.
- Die Kosten samt Risiko:
- wie wirken sich die Abweichungen vom bisherigen Plan auf die Kalkulation aus (Nordflügel zu früh abgerissen, Nesenbachdüker noch nicht tiefer gelegt, Tunnel Richtung Cannstatt nicht vergeben, Verzögerungen durch ausstehende Planfeststellungen, Verzögerungen im Gleisvorfeld);
- welche Kosten können die geologischen Risiken mit sich bringen.
Die Bahn bürgt für die Richtigkeit der vorgelegten Kalkulation, indem sie sich verpflichtet, sämtliche Mehrkosten, die über die genannten Summen (geplante Kosten + Risiken) hinaus entstehen, zu 100% zu tragen.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer beauftragt den Bundesrechnungshof mit der Prüfung dieser Kalkulation.
Finanzierungsvorschlag und Volksentscheid: Sobald Planung und Kosten in der erforderlichen Qualität vorliegen, macht die Landesregierung Baden-Württemberg einen Gesetzesvorschlag, wie sich das Land an den Projekten Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen-Ulm beteiligen könnte. Im Koalitionsvertrag wird vereinbart, dass die Koalitionspartner das entsprechende Gesetz dem Volk zur Entscheidung vorlegen.
Das Land beteiligt sich an Stuttgart 21 und an der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, wenn die Bürger das im Volksentscheid beschließen – und nur dann.
Bis zu einer Entscheidung über das Projekt und über die realen Kosten muss ein vollständiger Baustopp selbstverständlich sein.
All denjenigen, die einwenden, ein so großes Projekt ließe sich nicht so genau planen, sei gesagt, dass unsere Nachbarn, die Schweizer, diese Kunst ganz offenkundig beherrschen. Sie waren in der Lage, das viel größere und komplexere Projekt ‚Gotthard-Basistunnel‘ präzise zu planen und fast auf den Rappen genau zu kalkulieren. Für Planung, Abstimmung und Bau (in dieser Reihenfolge!) haben die Schweizer nicht einmal besonders lange gebraucht.
Das Beispiel zeigt: So funktionieren Großprojekte!